Eine Frage der Perspektive
Mein großes Hobby ist die Fotografie.
Ich bin in einem Fotoclub. Wir machen Ausflüge (ich mit meinem E-Rolli) und besprechen dann die Ergebnisse. Bei diesen Besprechungen höre ich immer mal wieder den Kommentar: interessant die Rollstuhlperspektive, eine ganz andere Sichtweise.
Das kann man auf das Leben mit MS übertragen. Es ändert sich die Perspektive, die Sichtweise auf manche Dinge. Neue Perspektiven eröffnen sich, andere werden unmöglich. Scheinbare Nebensächlichkeiten sind enorm wichtig und werden zur Herausforderung, während vermeintlich wichtige Dinge an Bedeutung verlieren. Ich habe kein Problem damit, wenn meine Fotofreunde einen Turm besteigen, um eine schöne Aussicht zu haben. Dafür kann ich fotografieren, wie dieser Turm im Spiegel meines Rollstuhls reflektiert wird.
Ich trauere verlorengegangenen Fähigkeiten nicht mehr nach, sondern freue mich darüber, was noch geht. Diese Einstellung habe ich heute – nach 25 Jahren MS.
Es gab auch andere Phasen. Das Schwierigste war, die Ansprüche an mich selbst zurück zu schrauben. Seit mir das gelungen ist, kann ich besser mit der Krankheit umgehen. Dabei ist es sehr wichtig, die technischen Hilfsmöglichkeiten, die sich bieten, zu nutzen. Man sollte keine Scham vor Hilfsmitteln haben, sondern sie als Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität ansehen.
Natürlich hoffe ich, dass sich mein derzeitiger Gesundheitszustand nicht verschlechtert (wer von uns hofft das nicht).
Es ist sehr viel machbar – mit und trotz MS!
Silke, 45 Jahre, Diagnose 1987.